Leserbrief zu: "Gott kann man nicht lästern", Interview mit Sigi Zimmerschied, SZ vom 17./18.1.2015, Seite R13

Sehr geehrte Redaktion Leserbriefe,

Der Passauer Kabarettist Sigi Zimmerschied hat teilweise Recht: "Gott kann man nicht lästern." Sehr wohl aber kann die satirische Militanz drastischer Religionskritik Menschen absichtlich kränken, weswegen sie in amerikanischen Medien wie der "Washington Post" und "New York Times" unbedingt vermieden wird. Die Bemühungen von "Charlie Hebdo", alles, was Muslimen heilig ist, zu verletzen, wurde in einem Bericht der "New York Times" über die Terroranschläge in Paris als "rücksichtslos, vulgär und teilweise kommerziell motiviert" bezeichnet. Die amerikanische Praxis verantwortungsvoller Pressefreiheit entspricht in diesem Fall also mehr dem Moralkodex der islamischen Welt, als der französischen Praxis.

Wäre die islamkritische Obsession der Pariser Altlinken aus der rechten Ecke gekommen, hätte man darin wohl Rassismus gegenüber einer unterdrückten Minderheit gesehen. Und die ermordeten Opfer würden nicht als Märtyrer europäischer Meinungsfreiheit gefeiert. So sollte auch deutschen Kabarett-Kollegen wie Sigi Zimmerschied und Dieter Nuhr klar sein, dass es einen Unterschied macht, ob man seinen Spott-Angriff gegen die katholische Religion der Mehrheitsbevölkerung führt, oder gegen eine religiöse Minderheit, die sowieso schon unter fremdenfeindlichen Ressentiments leiden muss.

"Gibt es noch Tabus?", fragt die SZ. Ja - und nicht nur Muslime können irrational und mit brutaler Härte reagieren, wenn die eigenen Tabus verletzt werden. Der FDP-Politiker Jürgen Möllemann hatte vor Jahren öffentlich die völkerrechtskonforme, aber in Deutschland tabuisierte, Meinung vertreten, dass auch Palästinenser ein Recht auf Selbstverteidigung hätten, was seinen, zumindest sozialen, Tod zur Folge hatte. Ähnlich gnadenlos ist man jetzt gegen Sebastian Edathy vorgegangen, dem "verbotene" Knaben-Bilder zum Verhängnis wurden, die er nicht einmal selbst gemacht, sondern nur gerne angesehen hat.   

Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Matthes
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