Leserbrief zum Fall Edathy: "Entsetzt und fassungslos"

Leserbrief zum Fall Edathy: "Entsetzt und fassungslos"
SZ vom 18.2.2014, Seite 5


Sehr geehrte Redaktion Forum,
Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sagte bei der Pressekonferenz, dass Sebastian Edathys Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag "mehr als gerechtfertigt" sei, da Edathys "Handlungen und Verhalten" "nicht zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands passt" - "unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz"(!). Ist eine solche Partei, die ihre eigene Moralvorstellung über das Gesetz erhebt, eine "demokratische" Partei? Gilt das Antidiskriminierungsgesetz zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der sexuellen Orientierung nicht für Edathy? Ist ein Politiker gesellschaftskonform und damit moralisch untadelig, glaubwürdig und verantwortungsvoll, wenn er alle paar Jahre Frau und Kinder für eine jüngere Geliebte verlässt? Edathy hat niemandem Schmerz bereitet, das Ansehen von Bildern ist kein Kindesmissbrauch. Würde die bloße Betrachtung von Bildern bereits eine Straftat darstellen, müsste dann nicht die ganze Nation vor Gericht sitzen, die sich allabendlich dem kollektiven, morbiden Voyeurismus vor dem Fernseher hingibt, um sich bei Gewalt und Gemetzel, Krimis und Kindersoldaten zu entspannen?

Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Matthes
München