Leserbrief zu: "Betrunkener randaliert", SZ München Teil, 6.Juli 2016, Seite R5

Leserbrief zu: "Betrunkener randaliert", SZ München Teil, 6.Juli 2016, Seite R5

Sehr geehrte Redaktion Leserbriefe,
In trauriger Regelmäßigkeit berichtet die SZ darüber, wie Besoffene Unbeteiligte terrorisieren: am S-Bahnhof Laim randaliert ein Betrunkener, lässt vor Fahrgästen die Hose herunter, schießt eine Bierflasche durch den Raum, schlägt die ihn bändigenden Polizisten. In der S-Bahn rasten zwei Besoffene aus, zerschlagen eine Glastrennscheibe, ein Fahrgast erleidet gefährliche Körperverletzungen. Ein Betrunkener rast vor eine Schule ... Bereits am Bahnhofsvorplatz, der Visitenkarte der Stadt, erlebt der Reisende aufs Unangenehmste, dass er in der "Welthauptstadt des Bieres" gelandet ist. Und Mallorca muss sich dem Rekordansturm deutscher Sauftouristen inzwischen mit speziellen Verbotsschildern erwehren.
Leider trägt auch die SZ zur Verharmlosung und Glorifizierung der legalen Droge Alkohol bei. Denn den bloßen Worten über die täglichen Kollateralopfer der Trunkenbolde setzt sie wirkmächtigere Bilder von glücklichen, erfolgreichen Alkoholtrinkern entgegen. Auch wenn hierzulande Rausch als "lustig" gilt, macht Alkohol aber weder einen biertrinkenden bayerischen Politiker klüger, noch einen alkoholduschenden Fussballer oder Formel 1 Rennfahrer sportlicher oder zu einem besseren Autofahrer. Warum also unterstützt die SZ mit solch widersinnigen Botschaften die Alkoholindustrie, wie es in Frankreich oder den USA längst Tabu ist? 543 Millionen Euro fließen in Deutschland im Jahr in Alkoholwerbung. 155 Milliarden Euro hat die EU in einem Jahr für Alkoholschäden ausgegeben. Da wäre Aufklärung wichtiger als Schleichwerbung.  
Trotz des fragwürdigen Hypes um 500 Jahre bayerisches Reinheitsgebot ist Bier weder ein Wellnessprodukt, noch ein "Lebensmittel". Wenn die strenge Nährwert-Kennzeichnungspflicht sogar für Teebeutel und Milch gilt, wieso dann nicht auch für Bier und andere Alkoholika? Was haben sie überhaupt, wie Zigaretten ganz ohne "Nährwert", im "Lebensmittel"-Geschäft zu suchen? In den USA gibt es dafür extra Liquor Shops. Weil der Betrunkene hier aber den romantisch verklärten Nimbus eines harmlosen Narren geniesst, nach dem Motto: der will doch nur spielen - kommt er auch bei Straftaten besser davon, als der Nüchterne. Kürzlich wurde ich selbst zum Opfer eines volltrunkenen Jugendlichen der in der Trambahn auf mich stürzte, mir den Arm am Handgelenk brach und flüchtete - Klinik, Titanplatte mit 9 Schrauben, monatelange Arbeitsunfähigkeit und Physiotherapie folgten. Für ihn war es sicher ein "geiler Abend". In diesem Sinne, vielleicht sollte München anlässlich seiner 500 Jahre Reinheitsgebot besser ein Mahnmal für die Opfer errichten?
Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Matthes
Glötzleweg 43
81477 München
Tel.: 089-791.8513